Schlagwort: Demokratie

  • Ostdeutschland: Quelle der Zuversicht und Treiber der Zukunft

    Warum der Osten Deutschlands Stärke ist

    Vor 35 Jahren fiel die Mauer, und was für ein Meilenstein das war! Ein Symbol für Freiheit, für Neuanfang, für den unerschütterlichen Willen der Menschen, die Spaltung zu überwinden. Aber 35 Jahre später wird oft der Eindruck erweckt, dass sich Deutschland im Zirkelschluss der Enttäuschungen verheddert. Stimmt das wirklich? Oder verpasst dieses Bild nicht den eigentlichen Kern einer Geschichte, die nicht in Resignation endet, sondern noch immer von Potenzial und Chancen erzählt?

    Denn der Osten, der Aufbruchsort von damals, hat heute mehr zu bieten, als manche wahrhaben wollen. Die Stimmen, die sich jetzt laut und fordernd zu Wort melden, sprechen nicht nur von Frust, sondern auch von einem neuen Selbstbewusstsein. Da ist ein Aufschrei, ja, aber eben auch der Wunsch nach echter Anerkennung, nach Gestaltungsmöglichkeiten, die längst überfällig sind. Der Osten will mitreden, mitgestalten, statt immer nur als Kulisse für politische Diskussionen herzuhalten. Und genau hier liegt unsere Chance!

    Vergessen wir nicht, was diese Menschen leisten mussten – und immer noch leisten. Sie haben die größte Transformation durchlebt, die ein Land in der jüngeren Geschichte gesehen hat. Industriejobs verschwanden über Nacht, und doch haben sich viele nie entmutigen lassen. Die Menschen hier mussten flexibel sein, sich neu erfinden, sich ständig anpassen. Genau diese Fähigkeit zur Resilienz, zur Anpassung, ist in einer Welt im Wandel ein unschätzbarer Schatz, den es zu heben gilt. Der Osten hat das, was Deutschland jetzt braucht: den Willen, sich nicht von Unsicherheiten lähmen zu lassen, sondern sie aktiv zu gestalten.

    Worauf also warten wir? Die Welt da draußen verändert sich rasant. Die Herausforderungen sind gewaltig, ja, aber auch die Möglichkeiten. In Zeiten, in denen globale Umbrüche die Karten neu mischen, sind es oft die, die schon Umwälzungen überstanden haben, die jetzt vorneweg marschieren können. Der Osten kann Vorreiter sein, mit Ideen, die im Westen vielleicht noch belächelt werden. Warum nicht aus den spezifischen Erfahrungen hier lernen, sie als Inspiration nehmen, um neue Ansätze für das ganze Land zu entwickeln?

    Natürlich, es gab und gibt Fehler. Aber das ist nicht das Ende der Geschichte. Was, wenn wir diese Fehler als Chance zur Kurskorrektur begreifen? Wenn wir die Versäumnisse der Vergangenheit als Wegweiser nutzen, um jetzt beherzt zu handeln? Der Osten hat uns vieles gelehrt: wie wichtig es ist, zuzuhören, hinzusehen, ernst zu nehmen. Und ja, es geht um Wertschätzung. Aber nicht in sentimentalen Worten, sondern in echten Taten. In Investitionen, in Forschung, in Kultur, in Bildung – in allem, was Regionen stark macht. Warum nicht endlich die Stärken ausspielen, die hier schon lange schlummern?

    Das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation in Halle mag spät kommen, aber seine Botschaft ist aktuell wie nie: Wir brauchen neue Ideen für ein Deutschland, das sich nicht vor Veränderungen fürchtet, sondern sie mitgestaltet. Ein Deutschland, das sich der besonderen Kraft bewusst ist, die aus der Wiedervereinigung entsprungen ist – die Kraft, Mauern nicht nur einzureißen, sondern nachhaltig Neues zu schaffen.

    Denn die Mauer ist mehr als ein historisches Denkmal. Sie ist eine Mahnung, aber auch eine Inspiration. Deutschland hat gezeigt, dass es Spaltungen überwinden kann, wenn der Wille da ist. Warum sollten wir nicht den Mut haben, diesen Geist wieder aufleben zu lassen? Den Mut, uns selbst nicht kleinzureden, sondern die Herausforderungen anzupacken, als Land, das gelernt hat, wie man Krisen meistert.

    Das ist der Aufruf: Mehr Aufbruch, mehr Zuversicht! Lasst uns den Osten nicht länger als Problemregion sehen, sondern als Kraftquelle, die wir endlich nutzen sollten. Hier gibt es Menschen mit Ideen, mit Kreativität, mit einem tiefen Verständnis dafür, was Wandel bedeutet. Lasst uns den Schwung von damals wieder aufnehmen und die Zukunft gestalten – gemeinsam, mit neuem Mut, und einem ungebrochenen Willen, zu beweisen, was Deutschland wirklich kann.

  • Wenn der Fuchs den Hühnerstall bewacht

    Wie der Osten sich politisch neu erfindet

    Mit voller Wucht ins Ungewisse – der Osten Deutschlands, politisch betrachtet, so ostdeutsch wie nie zuvor. Sachsen, Brandenburg, Thüringen: neue Regierungen, einmalige Konstellationen. Doch was bedeutet das für die Zukunft? Ein Gedankenspiel: Wäre die Ampelregierung in Berlin nicht erst am 6. November, sondern schon vor dem Sommer zerbrochen – vor den Landtagswahlen im Osten –, hätte sich der Frust über das zerstrittene Dreierbündnis vielleicht nicht so drastisch in den Wahlergebnissen entladen müssen. Doch es kam anders. Die AfD triumphierte, SPD, Grüne und FDP erlebten herbe Niederlagen. Dietmar Woidke in Brandenburg musste sogar Bundeskanzler Scholz vom Wahlkampf ausladen, um sich abzusetzen. Ein bemerkenswerter Schachzug, der die Anti-Ampel-Stimmung im Osten unterstreicht.

    Die Landtagswahlen 2024 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg fanden unter einer politischen Gemengelage im Bund statt, die kurz danach bereits nicht mehr existierte. Die neuen Verhältnisse wirken nun fast wie aus einer alten Zeit ins politische Jetzt hinein. Und dieses politische Jetzt wird nach der Bundestagswahl im Februar schon wieder ein wenig nach alter Zeit aussehen. Ein politisches Déjà-vu, das Fragen aufwirft.

    Die Folgen für die Ampelparteien waren gravierend. Die Grünen tauschten ihre Parteispitze aus, Kevin Kühnert trat als SPD-Generalsekretär zurück, die FDP entwarf ihr geheimes „D-Day“-Szenario für den gezielten Koalitionsbruch. Interessanterweise wurde kaum diskutiert, ob all das mit den Ostwahlen zusammenhängt. Ein blinder Fleck in der politischen Analyse?

    Die politische Realität im Osten hat sich nach diesen Wahlen maßgeblich verändert. Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kommt eine weitere politische Farbe hinzu. BSW, AfD und die Linke – drei Parteien, die im Westen keine so große oder nur marginale Rolle spielen. Der Osten denkt anders, wählt anders. Kommen die ostdeutschen Länder damit politisch zu sich selbst? Wenn ja, wie sieht das aus?

    Volatil, fragil, paradox. Das Regieren dürfte reichlich kompliziert werden. In Brandenburg hat die SPD-BSW-Koalition nur eine hauchdünne Mehrheit, und mit Wagenknechts Bündnis regiert eine Partei, die über keinerlei Erfahrung verfügt. In Thüringen führt Mario Voigt (CDU) eine Patt-Regierung mit SPD und BSW an; für jede Mehrheitsentscheidung muss er bei der Opposition um Stimmen werben, und die AfD verfügt über eine Sperrminorität. Am schwersten hat es wohl Michael Kretschmer in Sachsen. Er steht einer historisch kleinen Minderheitsregierung vor, die es in der Geschichte der Bundesrepublik so noch nicht gab. Wenigstens kennt er in seiner Mini-Regierung den Koalitionspartner, die SPD. Doch keine dieser Konstellationen existiert in einem anderen Bundesland, alle sind singulär.

    So ostdeutsch war der Osten noch nie, politisch betrachtet. Diese Situation kann zu großer Disziplin unter den demokratischen Parteien führen – oder in heillosem Chaos enden. Wahrscheinlich erleben wir beides im Wechsel.

    Bei den Regierungsbildungen ließ sich das bereits beobachten. Zweimal stiftete das BSW Chaos: einmal, als es sich mitten in den Thüringer Koalitionsverhandlungen im Streit um die sogenannte Friedenspräambel beinahe selbst zerlegte. Und ein weiteres Mal, als die sächsische BSW-Fraktion, nur wenige Stunden nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und kurz bevor in der Nacht dann auch die Ampel brach, überraschend die Verhandlungen in Dresden platzen ließ – wahrscheinlich auf Wunsch von Sahra Wagenknecht persönlich.

    Die Wahlen der Ministerpräsidenten dagegen liefen überraschend glimpflich ab – vor allem in Sachsen und Thüringen. Die Landesparteien der Linken disziplinierten sich und gaben ihre Stimmen den beiden Konservativen Kretschmer und Voigt. Doch das sollte nicht zu Illusionen führen: Sie nahmen der AfD damit jeden Spielraum und versetzten die neuen Landesregierungen in eine Bringschuld. Die Politik der CDU wird in Sachsen und Thüringen zukünftig maßgeblich von linken Parteien abhängig sein. Sie wird also selbst nach links rücken müssen – obwohl Friedrich Merz seine Partei im Bund wieder stärker ins Konservative wendet und obwohl der Osten insgesamt weiter nach rechts gerückt ist. Ob das gut geht? Wird sich die CDU darauf einlassen?

    Überraschungsmomente werden in Zukunft normal sein. Ausnahmen dürften im Osten zur Regel werden, denn bei wichtigen Entscheidungen kommt es nun stets auf jede Stimme an. Das verlangt von den Regierungskoalitionen einerseits ungeheure Geschlossenheit und in der Zusammenarbeit mit der demokratischen Opposition große Kompromissfähigkeit. Das ist die „neue politische Kultur“, die von vielen Politikern zwischen Dresden und Erfurt indessen so gerne beschworen wird.

    Eine Stimme wird dabei wichtiger als alle anderen: die von Sahra Wagenknecht, der Populistin. Für Kompromissfähigkeit ist sie nicht bekannt. Doch sie verfügt fortan über so viel Macht wie kaum jemand anderes im Osten, denn ohne ihre Zustimmung geht in Sachsen, Thüringen und Brandenburg so gut wie nichts mehr. Dass sie ihre Landesverbände an der kurzen Leine führen wird, daran besteht kaum ein Zweifel. So führt sie ja die gesamte, nach ihr benannte Partei. Wie wird sie agieren, wenn sie bei der Bundestagswahl im Februar an der Fünfprozenthürde scheitern sollte? Wird sie dann über die Länder versuchen, ihren frontalen Oppositionskurs zu organisieren? Durchaus möglich. Für weniger Chaos spricht das nicht.

    Vieles wirkt wie ein statischer Übergang, ein Provisorium. Als wäre der Osten auf seiner langen Suche nach sich selbst noch eine Weile unterwegs. Denn dass diese drei Landesregierungen lange halten, darauf sollte man nicht viel wetten. Dass sie den zunehmenden Rechtsruck aufhalten können, auch nicht. Werden sie die letzte Etappe sein, bevor die AfD irgendwo in Regierungsverantwortung kommt?

    Vielleicht kommt es anders. Doch dafür müssten sich die Demokraten mit voller Wucht und viel Mut ins Neue stürzen. Und ins Ungewisse. Denn nur so könnten die Gewissheiten eines Tages wieder größer werden.

  • Die SPD und ihr Kampf um Ostdeutschland

    Zwischen Nostalgie und Neubeginn

    Die SPD und Ostdeutschland – eine Beziehung voller Abgründe, Sehnsüchte und unzähliger Sonntagsreden. Da sitzt sie nun, Klara Geywitz, stellvertretende SPD-Vorsitzende und Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, und erklärt mit ernstem Gesicht, warum ausgerechnet die SPD die Hoffnung der Ostdeutschen sein soll. Währenddessen flackert auf den Fernsehbildschirmen die AfD mit zweistelligen Umfragewerten über die Küchenarbeitsplatten der Lausitz. Man kann es nicht anders sagen: Die politische Landschaft östlich der Elbe gleicht einer Baustelle – irgendwo zwischen Verzweiflung und Aufbruchsstimmung.

    Geywitz glaubt fest daran, dass die SPD das Zeug hat, 2025 in Ostdeutschland erneut zu überzeugen. Ihre Waffen: soziale Gerechtigkeit, sichere Renten, ein starker Mindestlohn. Klingt wie das Greatest Hits-Album der Sozialdemokratie, das seit Jahrzehnten in jeder Parteizentrale rauf- und runtergespielt wird. Und doch: Der Mindestlohn ist erhöht, Millionen Menschen – gerade im Osten – haben mehr Geld in der Tasche. Kann man feiern, ja. Aber feiern sie das auch in Cottbus, wo der nächste Supermarkt fünf Kilometer entfernt liegt und die Inflation die Einkaufswagen halb leer macht?

    Olaf Scholz, Kanzler und in Potsdam heimisch, ist derweil so etwas wie der stille Schwiegersohn der Ostdeutschen. Kein Lautsprecher, eher der bedachte Buchhalter, der sich in Krisenstaaten wie ein gelassener Hausarzt verhält. Scholz’ Politik: vernünftig, ruhig, aber eben auch ohne große Gefühle. Während Scholz den russischen Angriffskrieg mit einem fein austarierten Mix aus Waffenlieferungen und diplomatischer Zurückhaltung beantwortet, marschiert die AfD – mit lautem Getöse und einfachen Antworten – von Protestwahl zu Protestwahl. Und jetzt mal ehrlich: Gegen ein Bierzelt voller Polemik kommt keine Kabinettssitzung an.

    Aber zurück zu Geywitz. Sie spricht von Strukturwandel, von Erfolgen in den Kohlerevieren der Lausitz, von Tarifauseinandersetzungen. „Wir sind die Partei der Arbeitnehmer“, sagt sie. Und in den leeren Hallen ehemaliger Textilfabriken hallt dieser Satz vielleicht sogar noch nach. Aber reicht das? Reicht es, mit den alten Losungen neue Wähler zu gewinnen? Die Antwort darauf liegt nicht in Parteitagen oder Hochglanzbroschüren, sondern in den Dorfkneipen, in den Pendlerzügen und ja, auch in den Chatgruppen der Skeptiker.

    Die SPD hat es mit einer Generation zu tun, die wenig Bindung zur Partei verspürt. Viele der ostdeutschen Stammwähler sind nicht mehr da, zu alt, zu müde, zu desillusioniert. Die jungen Menschen, die geblieben sind, blicken oft misstrauisch auf Berlin. Strukturwandel? Klingt gut, aber wo bleiben die Jobs? Wo bleiben die Busverbindungen? Wo bleibt die Zukunft? Die Lausitz, einst Motor der DDR-Wirtschaft, wirkt für viele wie ein Museum ohne Besucher.

    Und dann ist da noch die Konkurrenz. Die AfD, die von Protestwählern getragen wird und sich längst als Partei der „Vergessenen“ inszeniert hat. Die CDU, die mit ihrem Pragmatismus punktet. Und irgendwo dazwischen die Grünen, die mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit gerade in urbaneren Gegenden Wähler finden. Die SPD hingegen? Irgendwo zwischen Nostalgie und notwendigem Realismus.

    Was die Partei braucht, ist ein radikales Umdenken. Nicht nur die ewig gleichen Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit, sondern auch die konkreten Antworten auf die spezifischen Probleme des Ostens. Wie wäre es zum Beispiel mit einem echten Mobilitätspakt für ländliche Regionen? Oder einer Innovationsstrategie, die nicht nur Start-ups fördert, sondern auch traditionelle Betriebe mitnimmt? Und vor allem: Wie könnte die SPD den Menschen im Osten das Gefühl geben, dass sie nicht nur gehört, sondern auch verstanden werden?

    Es reicht nicht, die Vergangenheit zu feiern. Die Menschen im Osten erwarten Zukunft. Und sie erwarten Antworten. Ob die SPD diese liefern kann, wird sich zeigen. Eines ist jedoch klar: Der Wahlkampf 2025 wird kein Spaziergang, sondern ein Kampf um Vertrauen. Ein Kampf, den die Partei nur gewinnen kann, wenn sie bereit ist, ihre eigenen Baustellen ernsthaft anzugehen. Bis dahin bleibt viel zu tun. Viel zu erklären. Und noch mehr zu beweisen.

  • Warum wir Zuversicht aus Ostdeutschland schöpfen sollten

    Selbstverständnis als Schlüssel

    Deutschland, ein Land der dauerhaften Krisenbewältigung, findet selten Anlass zur Selbsterhebung, und noch seltener geschieht das in Ostdeutschland. Doch wer sich auf die schier endlose Litanei des Jammerns einlässt, verkennt das Bild einer Region, die – bei aller berechtigten Kritik – in den letzten 35 Jahren eine der größten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationen der Welt vollbracht hat. Eine Transformation, die, wie so oft, mehr in die Annalen der Unzufriedenheit eingeht als in die Chroniken der Hoffnung. Vielleicht ist gerade deshalb eine neue Perspektive gefragt: eine, die endlich die tiefen Narben erkennt, aber die ebenfalls das Potenzial in den Vordergrund stellt.

    Man muss sich einmal die Fakten vergegenwärtigen. Fast 80 Prozent der DDR-Industriearbeitsplätze waren wenige Jahre nach der Wende verschwunden, der Osten sah sich in einer existenziellen Umbruchsituation, die Millionen von Menschen zu Pendlern, Umschulern und Erfindern ihrer eigenen Lebensläufe machte. Dass in dieser Region heute Rekordbeschäftigung herrscht, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer unerschütterlichen Resilienz. Doch diese Leistung findet sich selten im gesamtdeutschen Selbstbewusstsein wieder. Stattdessen wird das Narrativ der gescheiterten blühenden Landschaften, der kollektiven Traumatisierung, der ewigen Opferrolle gepflegt, als wäre das der einzige Kitt, der die Erinnerung an diese Zeit zusammenhält.

    Doch warum diese Dissonanz zwischen Erfolg und kollektiver Unzufriedenheit? Warum hält sich die Stimmung von Abgehängtheit und Verzweiflung? Sicherlich, es gibt handfeste Gründe: Löhne, die im Durchschnitt immer noch 20 Prozent niedriger sind als im Westen. Ein Gender Pay Gap, der nicht einfach wegdiskutiert werden kann. Eine Vermögenssituation, in der ostdeutsche Haushalte im Vergleich zu westdeutschen bei Weitem nicht mithalten können. Das alles ist real, spürbar, und in keiner Weise wegzuwischen. Und doch: Deutschland, so zeigen es EU-Studien immer wieder, ist eines der am besten ausgeglichenen Länder der Welt in Bezug auf regionale Unterschiede. Die Unterschiede, die hierzulande zwischen Ost und West bestehen, verblassen im Vergleich zu den historischen Einkommensgefällen zwischen Nord- und Süditalien oder dem englischen Norden und London.

    Aber es geht um mehr. Es geht um die Frage, wie eine ganze Gesellschaft von diesem tiefen Empfinden der Wertlosigkeit befreit werden kann. Dass Politiker in Ostdeutschland zunehmend auf rechtsextreme Rhetorik setzen, liegt nicht zuletzt an diesem unterirdischen Selbstwertgefühl. Hier könnten wir von der US-Soziologin Arlie Russell Hochschild lernen, die den Trumpismus als eine politische Bewegung des emotionalen Ressentiments beschreibt: Menschen, die sich zu kurz gekommen fühlen, lassen sich nur zu leicht mit einfachen Feindbildern ködern. Dieselbe Dynamik zeichnet sich in Ostdeutschland ab, wo aus wirtschaftlichem Unbehagen kulturelle und politische Abstiegsängste werden, die sich in einem unreflektierten Nationalismus entladen.

    Was würde es jedoch bedeuten, wenn man die Erfolge dieses Landesteils einmal anders erzählt? Wenn die Hartnäckigkeit, der Pragmatismus, die kreative Zähigkeit dieser Menschen als etwas Positives betrachtet würden? Denn die ostdeutsche Realität ist nicht die eines Dauer-Misere-Brennpunkts. Vielmehr sind es Orte wie Dresden, Leipzig oder Erfurt, die sich in den letzten Jahren zu Wirtschaftsstandorten von internationalem Rang entwickelt haben. Start-ups sprießen hier nicht nur, sie gedeihen. Innovative Forschungszentren und Universitäten binden immer mehr junge, kreative Köpfe, und diese schaffen Perspektiven, die weit über das einfache „Über-die-Runden-kommen“ hinausgehen.

    Wenden wir uns also von der Erzählung des ewigen Niedergangs ab und fragen wir uns: Warum gibt es hier Hass statt Stolz? Warum nehmen Abschottung und Ausgrenzung zu? Vielleicht, weil Anerkennung nie die Enttäuschung überwunden hat. Die Anerkennung dafür, dass man die härtesten Jahre nach der Wende überstanden hat, dass sich Ostdeutschland trotz aller Widrigkeiten behauptet hat. Die Zahlen zur Lebenszufriedenheit sprechen eine eigene Sprache: Menschen hier sind – im persönlichen Bereich – zufrieden, und trotzdem verfestigt sich die gesellschaftliche Unzufriedenheit. Es ist, als habe man gelernt, sich individuell glücklich zu arrangieren, während das Kollektivgefühl weiter am Abgrund balanciert.

    Diese Diskrepanz, zwischen dem privaten Leben und dem kollektiven Narrativ, ist ein Riss, der nur heilen kann, wenn Ostdeutschland endlich aus dem Schatten einer negativ besetzten Transformation heraustritt. Die Fakten sprechen für sich: Eine stetig wachsende Innovationskraft, eine Arbeitslosenquote, die vielerorts so niedrig ist wie im Westen, und eine Infrastruktur, die in den letzten Jahren Schritt für Schritt modernisiert wurde. Doch hier ist auch der Staat gefragt: Die Daseinsvorsorge muss weiterhin Priorität haben, und die Gesundheitsversorgung, die soziale Absicherung und die Sicherheit auf der Straße dürfen keine rhetorische Verhandlungsmasse werden.

    Die Ängste vor dem demografischen Wandel sind berechtigt, ebenso wie die Sorgen um den sozialen Zusammenhalt. Aber wer glaubt, dass Rechtsextreme und ihre politischen Brandreden diesen Wandel abfedern könnten, irrt sich. Wir stehen vor der Aufgabe, die soziale Spaltung nicht zu vergrößern, sondern zu minimieren. Der Schlüssel dazu ist nicht Ausgrenzung, sondern ein neues Selbstverständnis: eines, das die vergangenen 35 Jahre nicht nur als Traumabewältigung begreift, sondern als Lektion in Widerstandsfähigkeit und Anpassung.

    Es ist Zeit, sich auf den Stolz zu besinnen, der in den gelebten Biografien Ostdeutschlands steckt – ein Stolz, der nicht nationalistisch verblendet sein muss, sondern solidarisch und inklusiv. Der 35. Jahrestag des Mauerfalls war mehr als ein historischer Glücksfall; er war der Beginn einer Geschichte, die wir, die Generationen nach der Wende, noch immer mitschreiben. Und diese Geschichte hat weit mehr verdient, als in den Vergessenheitssumpf des deutschen Selbstzweifels zu sinken.

  • Generation Z und die Politikverdrossenheit

    Schluss mit leeren Versprechen in der Kommunalpolitik

    Wenn wir von Jugendpolitik sprechen, begegnen uns oft dieselben Floskeln: „Junge Menschen sind unsere Zukunft.“ „Ihre Stimme zählt!“ Doch die Realität ist ernüchternd: Die Jugend ist seit Jahren eine stumme Beobachterin, die in politischen Diskussionen kaum Gehör findet. In Krisen wie der Pandemie zeigte sich ihr Stellenwert deutlich. Schulen und Freizeitstätten wurden mit erschreckender Leichtigkeit geschlossen, und junge Menschen blieben die Letzten, die eine Rückkehr zur Normalität erleben durften. Das Vertrauen der Jugend in die Institutionen wurde tief erschüttert.

    Dabei ist es eine Illusion zu glauben, dass junge Menschen unpolitisch sind. Im Gegenteil: Nie war eine Generation so sensibilisiert für Themen wie Klimawandel, Digitalisierung und soziale Gerechtigkeit. Doch die Enttäuschung über die politische Klasse ist greifbar. Über 70 Prozent der Generation Z fühlen sich von der Politik nicht gehört und nicht ernst genommen. Ein gravierendes Problem in einer Demokratie, die auf das Engagement aller Altersgruppen angewiesen ist. Die Schuld für die Abkehr vieler Jugendlicher liegt nicht bei Social-Media-Plattformen, sondern in der politischen Kultur des Verschweigens und der Ignoranz.

    Schauen wir auf die Kommunalpolitik: Hier gibt es ein enormes Potenzial. Junge Menschen haben überraschend viel Vertrauen in Bürgermeister und lokale Verwaltungen, weit mehr als ältere Generationen. Doch wie nutzt die Kommunalpolitik dieses Vertrauen? Jugendparlamente, die in verstaubten Ratssälen tagen, sind kaum geeignet, um junge Menschen einzubeziehen. Es braucht innovative, digitale Beteiligungsformate. Aber nicht nur das: Die Anliegen der Jugend müssen endlich ernst genommen werden. Es geht nicht um die bessere Erklärung bestehender Politik, sondern um echte Mitgestaltung.

    Politiker, die sich als woke oder jugendlich inszenieren, ernten oft nur Hohn. Authentizität ist gefragt, keine aufgesetzten TikTok-Videos. Junge Menschen wollen Lösungen für reale Probleme: Wohnungsnot, schlechte Bildungsinfrastruktur, Unsicherheiten in der Altersvorsorge. Wenn diese Themen nicht ehrlich und klar angegangen werden, können wir kaum erwarten, dass die Jugend ihre Hoffnungen in die Politik setzt. Die Jugend ist eine Ressource, die Kommunalpolitik dringend heben muss. Sie bringt Leistungsbereitschaft und kreative Lösungsansätze mit. Doch es ist an der Zeit, ihre Fragen ernst zu nehmen und neue, mutige Wege in der politischen Partizipation zu gehen.

  • Die AfD und die Jugend

    Kein AfD-Vormarsch: Ist die Jugend doch nicht verloren?

    Der Erfolg der AfD bei jungen Wählern sorgt regelmäßig für Schlagzeilen. Die Partei, die mit rechtspopulistischen Parolen vor allem in Ostdeutschland punktet, scheint zunehmend auch junge Menschen zu erreichen. Doch ist das wirklich ein Indiz dafür, dass die Jugend „verloren“ ist? Oder gibt es Hoffnung, dass sich die junge Generation nicht von den Versprechungen einer Partei, die sich gegen das politische Establishment stellt, blenden lässt?

    Die Ergebnisse der letzten Wahlen zeigen ein beunruhigendes Bild: Ein nicht unerheblicher Teil der jungen Menschen, besonders Männer, hat für die AfD gestimmt. Es ist schwer, das als bloßen Zufall abzutun. Und dennoch – wenn man genauer hinsieht, offenbart sich ein differenzierteres Bild. Die Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland sieht sich im linken oder zumindest moderaten politischen Spektrum. Das ist eine entscheidende Erkenntnis, die zeigt, dass die Jugend nicht automatisch in Richtung der Rechten driftet, auch wenn ein lauter Teil dies anders erscheinen lässt.

    Man muss sich fragen, warum die AfD gerade bei jungen Wählern so viel Erfolg hat. Ein Grund könnte das Misstrauen gegenüber dem politischen Status quo sein, das bei vielen Jugendlichen auf Resonanz stößt. Die AfD stellt sich als Alternative dar, die einfache Antworten auf komplexe Probleme bietet. Sie suggeriert, dass es klare Schuldige für die Unsicherheiten der jungen Generation gibt – sei es in Bezug auf Migration, Klimapolitik oder wirtschaftliche Fragen. In einer Zeit, in der viele junge Menschen von Zukunftsängsten geplagt sind, erscheint diese Vereinfachung verlockend.

    Die Frage, die sich stellt, ist, ob diese Faszination für die AfD wirklich tief verwurzelt ist oder ob es sich lediglich um einen vorübergehenden Protest gegen das politische Establishment handelt. Junge Menschen sind oft auf der Suche nach klaren Antworten und Orientierung. Die AfD bietet dies in Form von Slogans, die sich gegen die vermeintliche „Elite“ und die „Altparteien“ richten. Aber diese Antworten sind gefährlich und kurzsichtig. Sie übersehen die vielschichtigen Probleme, die Deutschland – und besonders der ländliche Raum – tatsächlich hat. Ein AfD-Erfolg ist keine Lösung für die Herausforderungen, vor denen die junge Generation steht, sondern lediglich eine kurzfristige, populistische Antwort auf tiefergehende gesellschaftliche Spannungen.

    Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft erkennen, dass viele junge Menschen zwar anfällig für die Parolen der AfD sind, dies aber nicht bedeutet, dass sie rechtsradikal oder fremdenfeindlich sind. Viele von ihnen fühlen sich schlichtweg politisch heimatlos und unverstanden. Sie suchen nach Alternativen, nach neuen Wegen, die ihren Bedürfnissen gerecht werden. Und genau hier liegt unsere Verantwortung: Es braucht eine politische Bildung, die sich mit den Ängsten und Sorgen der Jugendlichen auseinandersetzt, die ihnen zeigt, dass es Alternativen zur AfD gibt, die nicht in einer einfachen „Wir gegen die“ Rhetorik enden.

    Ein kritischer Blick auf die möglichen Folgen einer AfD-Regierung verdeutlicht, wie fatal diese Entwicklung sein könnte. Mit einer Partei an der Macht, die demokratische Institutionen untergräbt, die Medienfreiheit einschränkt und Minderheitenrechte infrage stellt, würde Deutschland einen Weg einschlagen, der die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte gefährdet. Die Zukunft, die die AfD verspricht, mag für einige verlockend wirken, aber sie basiert auf Ausgrenzung, Angst und nationalistischen Parolen. Das ist nicht die Zukunft, die die junge Generation verdient. Sie verdient eine Gesellschaft, die ihre Bedürfnisse ernst nimmt, die auf Aufklärung und Dialog setzt, statt auf Polarisierung.

    Es gibt durchaus Hoffnung, dass viele junge Menschen diese Gefahren erkennen. Immerhin zeigt sich, dass die meisten Jugendlichen mit der Demokratie zufrieden sind und das Bedürfnis nach mehr Aufklärung und Medienkompetenz äußern. Dies zeigt, dass sie sich nicht mit einfachen Antworten zufriedengeben wollen, sondern bereit sind, sich mit den komplexen Realitäten der Welt auseinanderzusetzen. Hier liegt die Chance: Wenn wir die Jugend ernst nehmen, wenn wir ihre Fragen beantworten und ihnen zeigen, dass sie Teil der Lösung sein können, dann kann die AfD nicht mehr mit leeren Versprechungen locken.

    Es bleibt die Herausforderung, wie wir den Aufstieg der AfD unter jungen Menschen bremsen können. Der Schlüssel liegt in der Bildung und in der Schaffung von Angeboten, die junge Menschen politisch einbinden, bevor sie in die Arme von Parteien wie der AfD getrieben werden. Denn die Jugend ist nicht verloren – sie sucht nur nach einer Richtung. Und es ist unsere Aufgabe, ihr zu zeigen, dass diese Richtung nicht nach rechts führen muss.

  • Von Blockadepolitik zu Verantwortung

    Die traurige Realität deutscher Parteipolitik

    Die politische Landschaft Deutschlands zeigt sich in einem immer problematischeren Zustand. Das Ende der Ampelkoalition verdeutlicht nicht nur die Tiefe der politischen Grabenkämpfe, sondern auch das erschreckend kindische Verhalten mancher Akteure, die ihre Ämter mit Klientelpolitik statt mit Verantwortungsbewusstsein ausfüllen. Betrachtet man die Zerwürfnisse, fällt eine erschreckende Wahrheit auf: Es geht zunehmend weniger um die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und immer mehr um parteipolitische Eigeninteressen.

    Christian Lindner und die FDP stehen hier besonders im Fokus. Nachdem Kanzler Olaf Scholz Lindner entlassen hatte, weil dieser „Gesetze sachfremd blockiert“ und parteipolitische Interessen über das Gemeinwohl gestellt habe, bleibt die Frage, warum sich die FDP, wie auch andere Parteien, nicht in den Dienst der Sache, sondern primär in den Dienst der eigenen Wiederwahl stellt. Trotz schwerer Vorwürfe von Verantwortungslosigkeit und Vertrauensbruch will Lindner wieder antreten und kämpft weiterhin für seinen wirtschaftsliberalen Kurs, ohne Rücksicht auf das große Ganze.

    Die Tatsache, dass Oppositionsparteien oft nur blockieren, statt konstruktiv mitzuwirken, ist kein neues Phänomen, wird aber durch die aktuelle Krise schärfer denn je ins Licht gerückt. Es sollte uns zu denken geben, dass eine Partei, die im Bundestag eine Rolle übernehmen will, tatsächlich so agiert, als sei sie nur darauf aus, der Regierung das Leben schwer zu machen. Doch was bedeutet das für die Demokratie? Eine Demokratie lebt von Debatten und einem respektvollen Wettstreit um die besten Lösungen. Was sie nicht verträgt, ist diese groteske Farce, bei der Blockadepolitik und destruktives Verhalten anstelle ernsthafter Regierungsarbeit treten.

    Olaf Scholz‘ Ankündigung, die Vertrauensfrage zu stellen, und die Planung von Neuwahlen zeigt die Sackgasse, in der die deutsche Politik steckt. Während der Kanzler die FDP wegen ihrer Verweigerungshaltung anklagt, stehen die Liberalen einer drohenden Wahlniederlage entgegen. Statt Prinzipienfestigkeit bleibt nur die Sorge ums Überleben der eigenen Partei.

    Es ist an der Zeit, dass sich alle Parteien, ob in der Regierung oder in der Opposition, ihrer Verantwortung bewusst werden. Es reicht nicht, auf Wählerstimmen zu hoffen, wenn man danach nur blockiert und sabotiert. Wer in ein Parlament gewählt wurde, sollte dies als Auftrag verstehen, für das Land zu arbeiten, statt sich an parteiinternen oder ideologischen Kämpfen zu beteiligen. Was die Ampelkrise verdeutlicht, ist die Notwendigkeit einer Politik, die über Eigeninteressen hinausgeht – für die Menschen, die auf Lösungen warten, und für ein Land, das Stabilität braucht.

  • Wie Deutschlands Jugend zwischen Populismus und Progressivität schwankt


    11/9/2024

    Wie Deutschlands Jugend zwischen Populismus und Progressivität schwankt

    Ein gefährlicher Trend?

    Die aktuelle Shell-Jugendstudie offenbart einen scheinbar widersprüchlichen Trend: Während Extremisten auf Plattformen wie TikTok massive Reichweiten erzielen und die AfD bei Erstwählern Rekordergebnisse verbucht, bleibt die Mehrheit der deutschen Jugend laut der Studie linksorientiert. Der Populismus jedoch findet beunruhigend viel Gehör, besonders bei denjenigen, die sich abgehängt fühlen. Auffällig ist, dass der Rechtsruck vor allem bei jungen Männern zu beobachten ist, während sich junge Frauen eher links positionieren. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass gerade die, die sich in gesellschaftlichen Randlagen befinden, am stärksten für die einfachen Antworten der AfD empfänglich sind.

    Eine weitere erschreckende Erkenntnis ist die weitverbreitete Zustimmung zu populistischen Aussagen. Fast die Hälfte der befragten Jugendlichen stimmt unter anderem der These zu, dass der Staat sich mehr um Flüchtlinge als um bedürftige Deutsche kümmere. Auch die Vorstellung, eine „starke Hand“ müsse wieder für Ordnung sorgen, findet bei knapp der Hälfte der Jugendlichen Anklang. Diese Zahlen werfen die Frage auf, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass solche simplen und oft falschen Narrative eine so breite Akzeptanz finden.

    Doch was tun gegen diese gefährliche Entwicklung? Es reicht nicht, den Populismus nur anzuprangern. Es muss eine bewusste und kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Ursachen des Unbehagens geben. Die Verdrossenen, von denen sich viele zur AfD hingezogen fühlen, brauchen Perspektiven und das Gefühl, in der Gesellschaft nicht abgehängt zu sein. Gleichzeitig sollte der Kampf gegen populistische und rechtsextreme Inhalte im digitalen Raum intensiviert werden. Plattformen wie TikTok bieten diesen Ideen einen viel zu ungehinderten Raum.

    Eine Antwort könnte in verstärkter politischer Bildung liegen. Wenn Jugendliche schon in der Schule lernen, komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, fällt es schwerer, sich von plakativen Parolen einfangen zu lassen. Auch die Förderung eines breiten gesellschaftlichen Dialogs, in dem verschiedene politische und soziale Perspektiven Raum finden, kann dazu beitragen, dass der Diskurs nicht den Rändern überlassen wird.

    Der Erfolg der AfD bei jungen Wählern ist ein Alarmsignal, das ernst genommen werden muss. Nur durch langfristige Bildungsarbeit, soziale Investitionen und den Kampf gegen digitale Desinformation kann dieser Trend gestoppt werden. Es braucht dringend ein gesellschaftliches Umdenken, um den Populismus nicht noch weiter um sich greifen zu lassen. Die Shell-Studie zeigt: Noch ist nicht alles verloren, aber es ist höchste Zeit, die richtigen Schlüsse zu ziehen.